Alte Schriften lösen bei mir immer wieder eine grosse Faszination aus. Besonders eindrücklich, wenn diese noch von Hand geschrieben wurden. Einer ist mir neulich im Studium speziell aufgefallen.

Der sogenannte Codex Delta enthält das Neue Testament bis auf einen Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium (Kapitel 19, Verse 17-35). Es handelt sich um eine Interlinear-Übersetzung Griechisch/Lateinisch. Der Codex wird etwa auf das Jahr 850 n. Chr. datiert. Die Evangelien Matthäus, Lukas und Johannes folgen dem byzantinischen Text und im Markus-Evangelium enthält er den alexandrinischen Text.

Während einer Textanalyse im griechischen Text (Nestle Aland 28) bin ich mal auf diesen Codex gestossen und sah in der Tabelle, dass dieser sich in der Stiftsbibliothek St. Gallen befindet. Ich dachte mir noch, dass ich mich beim nächsten Besuch unbedingt mal danach umschauen muss. Gestern war es dann soweit, ich besuchte zusammen mit Debby, einer guten Kollegin, die Stiftsbibliothek. Die meisten Bücher werden verschlossen aufbewahrt, einige Exemplare in den Vitrinen und tatsächlich ich hatte Glück. In der hintersten Vitrine lese ich sehe ich doch wirklich einen griechischen Text und lese den Titel „Codex Delta“. Aufgeschlagen war der Text über den barmherzigen Samariter (Lukas 10).

Natürlich gab es noch viele andere Dinge wie beispielsweise einen riesigen Globus aus dem 17. Jahrhundert oder einer Mumie zu sehen. Doch die grösste Faszination löst für mich immer noch die Bibel aus. Ich dachte noch lange darüber nach: Wie viele Stunden hier wohl ins Abschreiben und Gestalten investiert wurden? Wie gross muss da die Ehrfurcht vor Gott gewesen sein? Ich stellte mir diesen Mönch vor, der irgendwo in einem Raum bei Kerzenschein mit Feder und Tinte Buchstabe für Buchstabe abgeschrieben hatte.

In einer anderen Vitrine entdeckte Debby noch die Psalmen in Buchstaben aus Gold geschrieben. Und wieder hat es mich an das Psalmwort erinnert:

Darum liebe ich deine Gebote mehr als Gold und feines Gold. (Psalm 119,127)